oder:
Geschichten sind unser Leben – aber nicht immer angebracht …
(c) Gudrun Anders
Wissen
Sie, was mein Hund mich gelehrt hat? Jetzt höre ich Sie bestimmt so etwas sagen
wie „bei jedem Wetter raus müssen“, „immer auf den Hund Rücksicht nehmen müssen“
oder vielleicht auch „einen treuen Gefährten an der Seite haben“. Ja, alles
richtig. Aber was ich wirklich von meinem kleinen, frechen ADHS-Hund gelernt
habe, ist, das „NEIN“ ein wirklich prima Wort ist.
Lucky,
mein kleiner schwarzer Tibet-Terrier, war schon als Welpe ein echtes
Energiebündel, kaum zu stoppen, immer am herumrennen und mit immer neuem
Blödsinn im Kopf. Da wurden Teppiche angenagt, die alte Katze quer durch die Bude gejagt,
Schuhe verschleppt und große Benjamini geköpft, weil er seinen Stock draußen
lassen musste und es im Haus schließlich auch welche gab. Auch PC-Kabel hatte
er zu fassen, Küchenrollen wurden zerfetzt, die Couch hat links an der Seite
ein Loch mehr und die Papier- und Abfallkörbe wurden sehr oft einmal mehr
gefüllt als nötig.
Und – sah es nicht toll in meinem Wohnzimmer aus, als er
mein Lieblingskissen zerfetzte? (rechts)
Langweilig
war es jedenfalls in den ersten Monaten mit ihm nicht. Oft hatte ich das
Gefühl, das „Nein“ sein Lieblingswort sein musste – er wollte es einfach zu oft
hören.
Täglich
gingen wir mit ihm raus, und schon bald hörte er auf seinen Namen oder meinen
Pfiff und wir arrangierten uns bei den Spaziergängen wer das Sagen hatte:
meistens ich. Meistens – nicht immer. ….
Ihm
„sitz“ beizubringen war keine große Sache, irgendwann gab er sogar Pfötchen,
wenn er ein Leckerli dafür bekam und auch Stöckchen bringen machte er gern.
Wenn er wollte. Wenn er keine Lust hatte, hatte der Hund einfach keine Lust und
beschnupperte lieber die wohlriechende Landschaft.
Trotz
vielen Übens war aber das „Nein“ unser Lieblingswort. Da wurden im Flur herumstehende
Schuhe mal eben angeknabbert, dafür die Spielzeuge nicht angeschaut, Bälle im
Bett – am liebsten unter meinem Kopfkissen – versteckt und die Couchkissen als
Raufkumpanen verwendet.
Es
nützte nichts, ich musste mal zur Hundeschule – und bekam gleich in der
Probestunde eine Lektion fürs Leben. Wir sollten „bei Fuß gehen“ – schnell und
langsam im Wechsel und dann stoppen. Einer nach dem anderen war dran ich
dachte, mein Hund sitzt brav neben mir. Lucky aber sah sich gerade nach einer
hübschen Dackeldame um und schaute in die entgegengesetzte Richtung.
„Würdest
du bitte mit mir bei Fuß gehen, Lucky?“, sprach ich ihn an und merkte gar
nicht, wie ich den Hund vermenschlichte. Auf unseren lockeren Spaziergängen mag
das vielleicht gehen, hier aber war gerade Gehorsam angesagt. Und meinerseits
Durchsetzungsvermögen. Und das mir, wo ich doch als spirituell orientierter
Mensch viele Dinge sanft und mit Liebe regeln wollte.
Lucky
machte sich auf in Richtung Dackeldame, während ich in die andere Richtung mit
ihm gehen sollte. „Lucky …“, rief ich leicht genervt. „Kommm bitte … Luckyyy ….
Komm her ….“
„Quatsch‘
keine Märchen!“, hörte ich den Hundetrainer hinter mir. „Die versteht der Hund ja
doch nicht.“ Und gab mir dann Instruktionen, wie ich die Situation anders
handhaben konnte.
„Quatsch‘
keine Märchen!“, hallte es noch länger in mir nach. Und das mir als
Märchenschreiberin! Wo ich doch der Überzeugung war, das wir Menschen alle mehr
Märchen hören, lesen und schreiben sollten, damit wir wieder mehr der inneren
Weisheit, die in jedem von uns wohnt, lauschen lernen.
Inzwischen
besah ich mir einen Mann Ende 30 und Besitzer eines kleine, ungestümen
Mischlingshundes, der nun ebenfalls vorführen sollte, wie er mit der kleinen „bei
Fuß geht“. Der Mann war über 1,80 m groß und ziemlich bullig. Er stand vornüber
gebeugt zum Hund und säuselte: „Lissy, komm‘ doch jetzt bitte mit, wir müssen bei
Fuß gehen lernen.“ Es sah zum Schreien komisch aus, wie dieser Hüne die kleine,
kurzbeinige Hundedame bei fast 30° im Schatten mit Säuseleien dazu bewegen
wollte, mit ihm bei Fuß zu gehen.
Er
war tatsächlich ein Hundebesitzer, der wirklich Märchen mit seinem Hund
quatschte – und bekam ebenfalls eine harte Ansage vom Hundetrainer, die nach
wenigen Minuten eine entsprechende Wirkung zeigte.
In
mir hallte dieser Nachmittag noch lange nach. Ich überdachte meine Einstellung
zum „Nein-Sagen“ und zu Kommandos, die der Hund wirklich lernen musste,
schließlich musste er in gefährlichen Situationen auch auf mich hören. Und
viele Dinge mussten einfach trainiert werden, denn wir alle lernen durch üben,
üben und noch einmal üben.
Warum
ich das schreibe? Weil das Leben eine Geschichte ist. „Life
is a story“– oder ein Märchen. Nur
nicht in Situationen, in denen man etwas über Grenzen lernen möchte – oder muss,
um eine gewisse Ordnung zu erhalten. Dafür geben die Situationen, in denen die
Ordnung aus den Fugen geraten ist, ja jede Menge Anlass darüber zu schreiben.
Was
wäre also das Leben ohne die kleinen, alltäglichen Dramen und Lernmöglichkeiten?
Langweilig wäre es, denn wir hätten uns nichts zu erzählen!
Begrüßen
wir also unsere täglichen Herausforderungen und teilen Sie mit anderen, um
unterhalten zu werden und etwas über das Leben zu lernen.
------- Gudrun Anders, Lebens- und Unternehmensberatung, Aachen ----
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